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Renate Schenk - Malerei |
"Wenn
ich male, verlasse ich die reale Welt
Ich bin 1931 in einem Dorf im Erzgebirge geboren, aber in Leipzig aufgewachsen. Schon als Kind zeichnete ich viel und gerne. Wenn ich einen Stift hatte und eine aufgeschlitzte Tüte oder Einwickelpapier, hörte man nichts mehr von mir. Mir war immer klar, dass ich zur Leipziger Kunstgewerbeschule gehen würde, um mir den Einstieg in das Studium der Illustration und Buchgestaltung zu eröffnen. Einfach war es nicht, es gab strenge Aufnahmekriterien. Ich musste einen Gesellenbrief vorlegen, also machte ich eine Lehre als Goldschmiedin, weil da gerade eine Stelle frei war. Aus meinen Arbeiten und Entwürfen während der Ausbildungszeit stellte ich die erforderliche Bewerbungsmappe zusammen. Teil der Auf-nahmeprüfung bestand aus einem politischen Aufsatz. Eine politische Meinung konnte man nur äußern, wenn man die aktuelle Tageszeitung bereits gelesen hatte, in der stand, was man meinen sollte. Mehr als einige Sätze aus der Zeitung wiederzugeben war nicht verlangt, auch nicht erwünscht. Es ist mir damals gelungen, alle Bedingungen zu erfüllen, und ich wurde 1950 aufgenommen. Die ersten beiden Semester haben wir zeichnen geübt, hauptsächlich nach Aktmodellen. Das schnelle und genaue Erfassen der Form war das Ziel unserer Übungen. Zu dieser Zeit kannte ich meinen Mann schon. Er hatte in Leipzig Wirtschaftswissenschaften studiert, lehnte aber das System der Planwirtschaft ab und gehörte zu keiner Partei. Seine Aussichten, in diesem Staat eine qualifizierte Arbeitsstelle zu finden waren gleich null. Ihm blieb nichts anderes übrig, als in den Westen zu gehen. In Jülich fand er eine Stelle und wurde Bürger der Bundesrepublik. 1951 heirateten wir in Jülich standesamtlich und schafften so für mich die Voraus-setzung auf einen Antrag auf Ausbürgerung, da ich nun mit einem West-deutschen verheiratet war. Das war für mich wichtig, weil ich ganz offiziell von West nach Ost und umgekehrt einreisen und ausreisen und zum Beispiel in Leipzig kirchlich heiraten durfte. Ich wollte den Kontakt zu meinen Freundinnen und Freunden an der Kunstgewerbeschule und im Jugendchor, zu dem ich lange Zeit gehörte, nicht verlieren. Die erste Zeit in Koslar war sehr schwer. Ich war schnell schwanger und damit erledigte sich mein Vorhaben, in Düsseldorf weiterzustudieren. Wir hätten damals auch gar nicht genug Geld dafür gehabt. Ich hatte keine Verwandten oder Freunde in meiner Nähe und musste mich anstrengen, um mit Kind und Haushalt irgendwie zurechtzukommen. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Nach einigen Wohnungswechseln fand ich mich mit drei Kindern und einem inzwischen angewachsenen Freundes- und Be-kanntenkreis in meinem Leben gut zurecht. Kunst konnte ich zwar, so eingebunden in Familien- und Hausarbeit, nicht machen, aber ich benutzte jede Gelegenheit wie Geburtstage, Fastnacht oder Weihnachten, um das Haus auf den Kopf zu stellen, es individuell und kreativ umzugestalten. Zum Beispiel habe ich einmal alle Möbel einschließlich Flügel mit Alufolie überzogen, um das Haus in einen Silberpalast zu verwandeln. Für meine Dekorationen habe ich Wochen gebraucht, weil ich ja nur nachts ungestört arbeiten konnte. Aber irgendetwas Kreatives musste ich anstellen, sonst wäre ich explodiert. Erst Anfang der Siebzigerjahre, als die Kinder langsam das Haus verließen, konnte ich die Kunst wieder in den Mittelpunkt stellen. Zunächst übte ich mit Skizzenblock vor dem Fernseher, um schnell und genau Ausdruck und Bewegung zu erfassen. Ich hatte fast fünfundzwanzig Jahre nichts mehr getan und musste mir die Leichtigkeit der Pinsel- oder Stiftführung erst wieder erarbeiten. Es ging ja nicht mehr um Anatomie, sondern um das schnelle Festhalten eines Gesichtsausdrucks. Es ist wie Klavierüben für Pianisten, ohne ständiges Üben geht es nicht. Es muss von den Augen durch den Bauch direkt in die Finger gehen. Ich habe nicht nur zu Hause geübt, sondern bin oft mit Malgruppen und Lehrer gereist, nach Griechenland, Tunesien, Rhodos, Formentera, sogar in die USA. Zu jener Zeit entwickelte sich in Jülich eine Kultur- und Kunstszene. Ich beteiligte mich an Ausstellungen in der Stadthalle, während der Rheinlandschau, in der Bürgerhalle in Koslar, in der Reithalle. Gleichzeitig gründeten wir einen Stammtisch für Künstlerinnen und Künstler. Damals stand der Hexenturm leer und beschäftigte unsere Phantasie. 1978 gründeten wir den Jülicher Kunstverein mit dem Ziel, die Jülicher im Hexenturm mit moderner Kunst bekannt zu machen. Bis vor kurzem habe ich aktiv im Kunstverein mitgearbeitet. Als Mitglied im Bund Bildender Künstler in Köln und früher im Malkasten in Düsseldorf habe ich meine Erfahrungen und Verbindungen gut einbringen können. Anfangs in der Stadthalle, später im renovierten Hexenturm haben wir, alle ehrenamtlich, mehr als achtzig Aufsehen erregende Ausstellungen und zwei große Aktionen: 1986 "Kunstaktion Wasser" und 1992 "Skulpturenpark Zitadelle" durchgeführt und so das Leben in der Stadt bereichert. 1987 wollte ich für mich etwas tun und belegte bei Johannes Grützke einen Malkurs an der Salzburger Sommerakademie. Ich wollte nicht zeichnen, denn ich wollte keine Rückschritte machen. Man darf sich kein Korsett mehr zulegen. Wenn man etwas kann, denkt man nicht mehr an das "Was und Wie", es malt wie von selbst. Man malt aus dem Können, aus Erfahrung heraus, so wie ein Autofahrer auch nicht mehr ans Autofahren denkt. KünstlerInnen müssen Stehvermögen haben, zäh an ihrer Sache bleiben und genug Selbstbewusstsein entwickeln, um sich selbst einzuordnen, zu wissen, was sie können und was sie noch lernen müssen. In Salzburg habe ich im Malunterricht mit Farbe gelernt, was ich bis dahin nicht konnte: Im richtigen Moment aufzuhören, nicht hier noch etwas einzufügen und da noch etwas zu übermalen. Malen ist mir einfach ein Bedürfnis. Wenn ich male, verlasse ich die reale Welt und tauche in meine eigene ein. Kunst zu machen gibt dem Leben eine andere Qualität. Deshalb habe ich im privaten Rahmen oder auch im Kunstverein Malkurse gegeben, für Erwachsene und auch für Kinder. Alle sollen die Möglichkeit haben, sich mit Kunst zu beschäftigen, auszuprobieren, was sie ihnen bedeuten kann. Wer sich auf Kunst und Kunst machen einlässt, hat bestimmt niemals Langeweile. Kontakt: Renate Schenk, 0 24 61 / 5 41 73 |
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