Wohlstand
durch jüdische Familien Titz.
„Genealogie, Familienstruktur und wirtschaftliche Verhältnisse der
Juden im
nördlichen Jülicher Land im 19. Jahrhundert“, lautet der
Titel der
Dissertation, mit dem der Linnicher Hermann-Josef Paulißen seinen
Doktorgrad an
der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Kölner
Universität erlangte.
Leicht überarbeitet und mit einem Personenregister versehen, wurde
sie unlängst
als Band 47 zum „Forum Jülicher
Geschichte“ von der Joseph-Kuhl-Gesellschaft veröffentlicht. Im
Rathaus der
Gemeinde Titz präsentierte Dr. Paulißen sein „sehr
beachtenswertes Resultat als
Grundstein für weitere Forschungen“, wie der Titzer
Bürgermeister Josef Nüßer
es formulierte. Die Arbeit, angeregt und gefördert von Dr.
Günter Bers, widmet
sich erstmalig in ganzer Breite Familienstrukturen, wirtschaftlichen
Verhältnissen und dem Kredithandel des rheinischen Landjudentums
in den drei
Gemeinden Müntz-Hompesch, Tetz-Boslar und Rödingen. Insbesondere sind die jüdischen Familien
Ullmann aus Rödingen und Hirsch aus Müntz Beispiele für
die „Mikrohistorie“,
will heißen: „aus einem verkleinerten Beobachtungsfeld sichtbar
gemachte
Faktoren dienen dem historischen Zugriff“. Mehr als 70 000 analysierte
Notarurkunden in Form von Kaufverträgen, Schuldscheinen oder
Buchforderungen
zwischen 1806 und 1894 dienen als Quelle für jüdische Geld-
und
Grundstücksgeschäfte. Die „Gebrüder Abraham und Issak
Ullmann“ betrieben seit
1820 zunächst „Vieh- und Fruchthandel“ und erweiterten den Handel
nach mehr als
40 Jahren um Landesprodukte und Immobilien. Ein ausführlicher
Einblick in den
Firmenverlauf mit Neuregelungen von Besitzansprüchen,
Rentenzahlungen an die
verwitwete Mutter und „unentgeltliches Ausscheiden“ durch Erbverzicht
der
Schwestern Sophia und Sibilla Ullmann gaben den „Namenschiffren ein
Gesicht“,
so hatte es Dr. Günter Bers in seiner Einführung
ausgedrückt. Die zweite
Ausführung widmete sich der Geschichte Falk/Hirsch, deren
Stammvater Hirz Falk
den Urkunden nach um 1756 von Linnich nach Müntz zugezogen zu sein
schien. Hier
erscheinen Güterverzeichnisse, Geldbewegungen, Ackerlandpreise und
eine
geschickte Geldpolitik besonders interessant. Um 1850 wurde ein Morgen
Land mit
200 Talern, umgerechnet 45 000 Mark berechnet; die Geldbewegungen der
Familie
Hirsch mit ihren fünf Söhnen zwischen 1817 und 1894 ergeben
den Jülicher
Notariatsurkunden zufolge einen Wert von ca. 2,5 Millionen Mark. Eine
Addition
der Geldbeträge in den besagten drei kleinen jüdischen
Landgemeinden ergibt
einen Betrag von etwa 7,1 Millionen Mark. Dieser erhöht sich durch
die
Geschäfte der aufgeführten jüdischen Familien aus dem
Umland und der Kreisstadt
Jülich auf 10,5 Millionen Mark. Bei der Auswertung konnten die
Unterlagen des
Linnicher Notariats gar nicht berücksichtigt werden – sie gelten
als
verschollen. Zum Abschluss äußerte der Titzer
Bürgermeister seine Begeisterung
darüber, „in welchem Umfang jüdische Gemeinden Wohlstand und
Arbeit in diese
Orte gebracht haben“. (ptj) Bildunterschrift:
Präsentiert seine Dissertation über „Juden im nördlichen
Jülicher Land im 19.
Jahrhundert“ in Buchform: Dr. Hermann-Josef Paulißen (Mitte) mit
seinem
Förderer Dr. Günter Bers (l.) und Gastgeber Josef
Nüßer. Foto: Jagodzinska |