"Ich
will nicht, dass das Sticken und Stricken und die jahrhundertealten
Muster verschwinden, ich möchte sie lebendig erhalten und moderne
Arbeiten daneben stellen."
1939 wurde ich in Eschweiler geboren. Mein Vater hatte Musik und Malerei
studiert und war Cellist und Maler. Er war ein recht bekannter Künstler.
Meine Mutter hat fünf Kinder grossgezogen, damit war sie vollständig
beschäftigt. Weil ich schon als Kind viel gestrickt und gestickt
hatte, machte ich nach der mittleren Reife eine Textillehre. Nach der
Prüfung arbeitete ich noch ein halbes Jahr im Geschäft, dann
ging ich als Aupairmädchen nach Brüssel, wo mein Bruder inzwischen
studierte. Danach habe ich zehn Jahre lang als Ausbildungsleiterin bei
einer großen Firma in Aachen gearbeitet. 1965 habe ich geheiratet
und eine Tochter bekommen. Natürlich musste ich meinen Job aufgeben.
Meine Ehe ging nicht lange gut. Ich habe mich scheiden lassen und habe
mit meiner Tochter alleine gelebt. Als meine Tochter zehn Jahre alt
war, wurde ich Verwaltungsangestellte der Stadt Eschweiler. Eigentlich
hatte ich mich in meinem Leben alleine mit meiner Tochter gut eingerichtet,
da lernte ich einen Mann kennen. Wir heirateten und kauften uns ein
sehr vernachlässigtes, aber wunderschönes altes Haus in Barmen.
Als ich Zwillinge erwartete, habe ich meine Arbeitsstelle aufgegeben
und war nun Hausrenoviererin, Gärtnerin, Mutter, Ehefrau, Hausfrau
und Handarbeiterin. Solange die Kinder klein waren, saß ich in
Barmen auf dem Spielplatz und strickte. Ich sitze nie, ohne etwas zu
tun. Andere Mütter taten es mir nach und ließen sich von
mir beim Handarbeiten helfen. So entstand ein Stick- und Strickkreis
"Frauen und Mütter in Barmen". Es gibt Frauen, die sagen,
durch Sticken hätten sie ihr Leben verschönert, eine Erweiterung
ihres Interessenkreises gefunden und letztlich Zuspruch und Lob für
ihre Arbeit. Dafür bedanken sie sich bei mir.
Inzwischen trifft
sich der Stickkreis alle zwei Wochen und wir arbeiten Sachen, die wir
auf dem Barmener Weihnachtsbasar verkaufen. Den Erlös spenden wir
dem Verein Frauen helfen Frauen e.V. Jülich, um ihn in seiner Arbeit
mit essgestörten Mädchen zu unterstützen. Seit einigen
Jahren präsentiert sich dieser Stickkreis auf dem Jülicher
Kunsthandwerkerinnen-markt, der ja immer sehr gut besucht ist. Das Geld,
das wir einnehmen, benützen wir für das Material, das wir
für den Weihnachtsbasar brauchen.
Eines
Tages fiel mir ein Buch mit Mustern des Strickdesigners Kaffe Fassett
in die Hände. Ich hätte sie am liebsten sofort alle gestrickt.
Ich war ganz heiß drauf. Ich wusste aber nicht, wie ich an das
Material kommen könnte. Mehr durch Zufall fuhr ich zum Stetternicher
Wollladen. Zu meinem großen Erstaunen war es nicht nur ein ganz
toller Laden, sondern es gab dort tatsächlich Fassetts Wollen und
Entwürfe. Ich fing sofort an, damit zu arbeiten. Es ist halt so:
Wenn ich ein Muster sehe, das mir gefällt, dann muss ich es machen.
Ich kann nicht anders. Einige Zeit lang habe ich im Laden gearbeitet,
verkauft, beraten und gestrickt. Auch eine Stickabteilung mit ausgefallenen
Mustern wurde eingerichtet, die aber nicht mehr existiert.
In Kursen, zunächst im Roncallihaus, dann in der VHS, und in Ausstellungen
wie im Merzenicher Museum, in der Galerie Loven in Jülich und auf
dem Kunsthand-werkerinnenmarkt zeige ich meine Stickarbeiten und versuche,
die Leute dafür zu begeistern - sie zu Stickerinnen zu machen.
Ich suche in Museen und alten Büchern nach exquisiten Stick- und
Strickmustern der Vergangenheit, sammle Ideen, kaufe Hefte mit modernen
Entwürfen, entwerfe auch selbst oder übertrage Strickmuster
in Stickmuster. Ich will nicht, dass das Sticken und Stricken und die
jahrhundertealten Muster verschwinden, ich möchte sie lebendig
erhalten und moderne Arbeiten daneben stellen.
Ich
sehe ein Muster und das muss und will ich dann sticken und dann kaufe
ich das Material. Mir selbst rechne ich dann vor, dass ich schließlich
mit VHS-Kursen Geld verdiene und auch hin und wieder eine Arbeit verkaufe.
Kaufmännisch gerechnet stimmt das natürlich nicht, aber ich
begründe mir es so. Zum Glück rechnet mein Mann nicht viel
anders. Er ist selbst Sammler und kennt das Gefühl, wenn man etwas
haben will oder machen muss.
Ich
kann nicht sticken, um zu verkaufen. Wenn ein Teil fertig ist und ich
habe mich davon entfernt, und es kommt wer, der den Wert der Arbeit
erkennt und Freude daran hat, gebe ich es her. Es ist dann nicht abgegolten,
aber wenn ich es gemacht habe, brauche ich es nicht mehr - dann suche
ich wieder eine neue Herausforderung.
Kontakt: Marita Breier, 0 24 61 / 72 67
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