"Wenn
ich male, tauche ich weg, voll und ganz.
Ich
vergesse dann die ganze Welt."
Ich bin 1943 in Wuppertal geboren. Mein Vater hatte eine Bau- und Kunstglaserei,
in der ich ursprünglich mitarbeiten wollte. Deshalb machte ich
dort eine Lehre und ging abends zur Werkkunstschule. Nach einem Jahr
brach ich meine Lehre ab, um Malerei an der Werkkunstschule zu studieren.
Zur Abschlussprüfung habe ich ein Glasfenster entworfen und ausgeführt;
es existiert wohl heute noch in Wuppertal-Barmen. Nach der Prüfung
konnte ich im Büro meines Vaters arbeiten, hin und wieder ein Fenster
entwerfen und auf diese Weise etwas Geld verdienen. Wie ich von Freier
Malerei mal leben sollte, war mir völlig unklar. Während des
Studiums hatte ich die mir gestellten Aufgaben erfüllt, aber ich
hatte in der Malerei noch keine Handschrift. Mein Mann war ein Semester
nach mir an die Werkkunstschule gekommen und machte daher auch sein
Examen etwas später. Wir heirateten und zogen zusammen nach Jülich.
Ich habe anfangs im Atelier zugeschaut, wenn mein Mann gemalt hat, einfach
nur, um mit ihm zusammen zu sein. Man konnte auch gar nichts anderes
machen in Jülich, es war überhaupt nichts los. Ich habe angefangen
zu zeichnen, ich hatte ja alles in mir. Wir haben, jeder für sich,
zusammen gearbeitet, wir haben sehr viel miteinander über Kunst
gesprochen und uns intensiv damit beschäftigt. 1968 wurde meine
Tochter geboren. Für einige Zeit verlegte ich mein Atelier in eine
Ecke des Wohnzimmers, um in ihrer Nähe zu sein und auch näher
an der Küche, um während des Malens auch kochen zu können.
Als unsere Tochter
in die Grundschule in Koslar eingeschult wurde, konnte ich dort Kunst
unterrichten und eigenes Geld verdienen. Es hat mir viel Spaß
gemacht. 1977 gab es dort dann genug Lehrer und mein Vertrag wurde nicht
verlängert. Einige Jahre habe ich an anderen Schulen in der Umgebung
unterrichtet, aber da ich kein Pädagogikstudium vorweisen konnte,
waren das keine dauerhaften Anstellungen. Sogar eine Umschulung zur
Stenokontoristin habe ich gemacht. Stenografie hat mir Spaß gemacht,
die Zeichen habe ich geradezu gemalt. Zwei Jahre lang hatte ich eine
Arbeitsstelle, dann hat die Firma sich verkleinert und ich war arbeitslos.
Danach
war keine Stelle mehr zu finden. Eine feste Verbindung mit einer Galerie
habe ich nicht gesucht. Die Malerei macht mir Spaß und ich muss
und will malen, wie und was ich will, ich will frei sein. Das lässt
sich mit den Forderungen einer festen Galerie nicht verbinden. Anfang
der Siebzigerjahre wurden Kunst und Kultur in Jülich lebendiger.
Es
gab einige größere Gruppenausstellungen, an denen ich mich
ab 1973 beteiligte. Zusammen mit anderen KünstlerInnen gründeten
wir 1978 den Jülicher Kunstverein, um auswärtige KünstlerInnen
in Jülich vorzustellen.
Ab 1975 wohnten wir im eigenen Haus in Merzenhausen und veranstalteten
dort ab 1979 in jedem Herbst eine Atelierausstellung, zu der wir außer
unseren eigenen Sachen regelmäßig einen Künstler oder
eine Künstlerin von außerhalb vorstellten. Wenn man sich
an Ausstellungen beteiligt und verkauft nichts, ist das nicht so einfach
wegzustecken. Inzwischen habe ich mehr Ausstellungserfahrung und denke
einfach gar nicht mehr ans Verkaufen. Wenn wer kommt, der ein Bild unbedingt
haben will, freue ich mich. Interesse an meinen Bildern muss aber da
sein, nur für Geld gebe ich kein Bild weg. Die Arbeit ist wichtiger
als das Ausstellen, auch als das Verkaufen. Wenn ich male, tauche ich
weg, voll und ganz. Ich vergesse dann die Welt. Die Figuren, die ich
zeichne, habe ich quasi erfunden. Zu Anfang habe ich viele Tierabbildungen
betrachtet, meine Schöpfungen dann aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt,
sie vorgezeichnet und anschließend ausgemalt. Sie sind so gebaut,
dass sie durchaus lebensfähig wären. Vorbilder für meine
Tiere finde ich in Fundstücken, in Baumrinden, überall. Ich
lebe so mit ihnen, dass ich gar nicht er-staunt wäre, einem wirklich
zu begegnen. Inzwischen sind meine Arbeiten freier geworden, ich zeichne
nicht mehr vor. Manchmal sitze ich den ganzen Tag und male, weil ich
immerzu neue Ideen habe. Ich brauche viele Pausen, eine halbe Stunde
oder auch wenige Sekunden lang, um mir die Arbeit immer wieder anzuse-hen.
Wenn ich mein Bild zu Ende malen kann, bin ich zufrieden. Unfertig darf
es nicht lange herumliegen, dann ist die Welt, in der ich male, weg
und es wird zu einer Quälerei, es zu beenden. Deshalb heißt
es bei uns immer mal: Heute bleibt die Küche kalt. In einer Künstlerehe
ist das kein Problem, mein Mann versteht das vollkommen, auch er bleibt
oft im Atelier "hängen". Wenn er mal pensioniert ist
- zur Zeit ist er noch Kunsterzieher an einer Jülicher Schule -
will er kochen. Dann kriege ich mal Essen vorgesetzt, darauf freue ich
mich schon.
Wir arbeiten gemeinsam
in einem großen Atelier und haben viel zusammen ausgestellt, machen
aber sehr unterschiedliche Arbeit. Wir sammeln alles und jedes. Manches
finde ich und zeichne es, er aber verwendet es in seinen Bildern. Wir
übernehmen schon hin und wieder eine Idee vom anderen, aber sie wird
unterschiedlich ausgeführt. Ich habe nicht die Geduld, viele Stunden
lang zu kleben, aufzutragen, trocknen zu lassen, wie er. Wenn ich meinen
Stift in der Hand habe und Papier vor mir, kann ich loslegen. Sehr selten
machen wir auch einmal eine größere Gemeinschaftsarbeit, aber das ist
anstrengend. Anlässlich einer Ausschreibung für Künstlerehepaare haben
wir zusammen ein Triptychon gemacht. Mein Mann hat aquarelliert, ich
habe hineingezeichnet, - er hat Fundstücke eingesetzt, ich habe seine
Formen gedeutet und ausgearbeitet. Wir mussten sehr aufpassen, uns nicht
gegenseitig etwas kaputtzumachen. Es gibt schon mal Leute, die offen
sagen, ich mag die Bilder deines Mannes/deiner Frau mehr. Daran sind
wir gewöhnt und wir gönnen uns das gegenseitig. Wir haben voreinander,
vor der gegenseitigen Arbeit, Respekt.
Kontakt: Eva-Maria Gebauer, 0 24 61 / 5 01 74
|