Erinnerungen eines Siersdorfer Bergmannes, der schon im Krieg 1944 als 14-jähriger Berglehrling beim EBV in Kohlscheid anfing

aufgezeichnet von Günther Schorn im Juni 2002


Günther Schorn (2002)

Günther Schorn erzählt: Schon lange interessiere ich mich für Geschichte, besonders auch für Heimat-, Bergbau- und Familiengeschichte. So fühlte ich mich angesprochen, als ich im Mai 2002 davon hörte, dass man Zeitzeugen der letzten Jahrzehnte sucht, die durch ihre Erlebnisse, Erinnerungen und Erzählungen mithelfen, Aldenhovens Geschichte neu zu entdecken. Es soll eine Spurensuche besonders der Nachkriegsentwicklung von Aldenhoven und seiner Nachbarorte sein, die durch die Entwicklung der Siersdorfer Steinkohlengrube "Emil Mayrisch" des Eschweiler Bergwerks-Vereins geprägt war. Zwangsläufig ist es ein Stück Sozialgeschichte der betroffenen "kleinen" Leute, Männer und Frauen. Im Rahmen des Projektes "Senioren ins Netz" soll in einer Geschichtswerkstatt im Bergbaumuseum Glückauf in Aldenhoven das Material gesammelt und im Internet veröffentlicht werden und dies dann auch späteren Generationen erhalten bleiben.

 


Seinkohlenberwerk Emil Mayrisch,
Beginn des Abteufens (1938)

Geboren wurde ich 1930 in Mariadorf, wir waren zu fünf Geschwister. Mein Vater war auch Bergmann und 1928 aus dem Saarbergbau weggegangen, weil dort Feierschichten eingelegt wurden. Der EBV konnte auf einigen seiner Gruben aber voll arbeiten, weil die Kokskohle für die ARBED-Stahlwerke in Luxemburg - der Muttergesellschaft des EBV - gefragt war.


Neuer Förderturm im Rohbau, Schacht II
(Mitte der 50er Jahre)

Ostern 1944 kam ich nach 8 Jahren Volksschule in Merkstein zur Entlassung. Unsere Klasse 8 hatte 50 Jungen und Mädchen, drei oder vier Schüler waren nach der 4. Klasse zur höheren Schule nach Herzogenrath gewechselt; alles damals übliche Verhältnisse. Obwohl wir alle in der Hitlerjugend waren - mit 10 bis 14 bei den Pimpfen, ab 14 bei den größeren - gingen wir, mein gut 1 Jahr älterer Bruder und ich, 1940 mit 10 bzw. 11 Jahren zur 1. Heiligen Kommunion und 2 Jahre später zur Firmung. Da mein Zeugnis der Volksschulentlassung geeignet war, sagte mir der Parteimann von der Berufsberatung, "du meldest dich heute noch beim EBV in Kohlscheid in der Markscheiderei beim Markscheider F.". Nach einer kleinen Prüfung: Aufsatz, Rechnen, Raumlehre und Zeichnen, war alles in Ordnung und ich konnte zwei Tage später als Lehrling zum 1. April 1944 anfangen, und da wusste ich warum!


Grubenwehr-Ausbildung,
Hauptrettungstelle Maria-Hauptschacht (1953)

Mein Vater hatte mir erklärt, was eine Markscheide ist, eine Grenze - auch Untertage - die ein Bergwerkseigentum vom Nachbarbergwerksfeld trennt, so wie eine Gemarkung von der benachbarten Gemarkung. Und der Markscheider legt die Markscheide auch Untertage fest - wo es ja keine üblichen Grenzsteine gibt. Er erfasst auch die geologischen Verhältnisse, zeichnet alles auf große Grubenpläne - wichtige Urkunden auf Zeichenkartonplatten. Diese unersetzlichen Grubenkarten wurden bei Fliegeralarm in Holztragekisten geschoben und an zwei Tragegriffen in den Luftschutzkeller drei Geschosse tiefer gebracht, und nach Entwarnung wieder nach oben. Das ging manchmal zwei- bis dreimal so am Tag. Da ich ein kräftiger Junge war, hatte man mich dort benötigt, oft ist der Zufall verantwortlich für Entwicklungen. Hin und wieder musste ich auch mit nach Siersdorf fahren mit einen Auto, das schon mal angeschoben werden musste; ich durfte Geräte tragen. Dort auf dem Grubengelände - in Siersdorf - standen zwei hölzerne Abteufgerüste.


Ortsbelegschaft Fa. Haniel & Lueg (~1956)
860 m S. Hauptqu. Süden
Diagonal-Sprung ist durchörtert

Als im September 1944 die Front der Alliierten sich näherte, mussten wir noch einige Tage Schanzarbeiten am Westwall verrichten, Panzergräben ausheben. Dann wurden alle Gruben bis auf wenige Leute stillgelegt, die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter wegtransportiert, die Belegschaft freigestellt zu den Soldaten oder verpflichtet in mitteldeutsche Rüstungsbetriebe und die ganze Bevölkerung evakuiert, meist nach Thüringen und Sachsen. Wir kamen zur Braunkohle bei Halle an der Saale. Zu Weihnachten kam ein Soldat auf Urlaub in den Betrieb. In Halle war zu der Zeit noch keine Bombe gefallen. Er erzählte von den neuen Tiger-Panzern, und den Vergeltungswaffen des "Führers". Sie flogen hinter die Westfront bis England und in der Eifel ging die Rundstedt-Offensive los und Anfangserfolge überraschte die Amerikaner und die Leute dort glaubten noch an den "Endsieg" Ende 1944, Anfang 1945.


Richtstrecke mit Polygonausbau als Verstärkung
gegen starken Gebirgsdruck (1965)

Im Februar 1945 kamen Flüchtlingstrecks von der Ostfront und wir Rheinland-Evakuierten wurden das zweite Mal evakuiert, um denen aus dem Osten Platz zu machen. Diesmal ging es in die Braunkohle bei Helmstedt. Einige Wochen später muss ich noch einige Tage lang beim Volkssturm üben; einige leicht verwundete Unteroffiziere und Berliner SA-Führer bilden uns Hitlerjungen und ältere Männer an Waffen aus. Eines nachts hört man Geschützdonner der anrückenden Amerikaner. Morgens stehen wir alleine da, die Ausbilder sind weg und wir gehen auch zu unseren Familien. Ein Glück, zwei Tage später sind die Amerikaner da und einige Wochen später ist der Krieg vorbei. Auf Geheiß der Engländer, die die Gruben des EBV wieder in Produktion bringen wollen, sollen auch die Bergleute zurückgeführt werden. Die Amerikaner lassen bei Wolfenbüttel die evakuierten Bergmannsfamilien mit mehreren Traktoren und doppelten Anhänger über eine befahrbare Brücke bei Düsseldorf wieder ins Aachener EBV-Gebiet bringen.


Hochzeitsreise,
EBV-Ziel Unterwössen/Bayern (1955)

Es war Juni 1945 geworden und ich konnte, bis ich 16 Jahre war, Übertage und dann Untertage auf Grube Adolf arbeiten. In Kohlscheid konnte ich 1947 wieder weiter arbeiten und kam auch hin und wieder nach Siersdorf, als dort die Arbeiten in den Schächten und auf der angesetzten Sohle wieder aufgenommen wurden. Wir freuten uns auch schon mal, wenn wir von einem Bauer in der Nähe einen Kappeskopp bekamen - es war ja alles knapp. Die Bergleute bekamen noch bevorzugt ihre Zuteilungen, teils Schwerarbeiterkarten oder Untertage-Schwerstarbeiterkarten. Die normale Bevölkerung bekam auf ihren Lebensmittelkarten sehr wenig und musste hungern. Die Bergleute bekamen vor der Anfahrt zwei doppelte Butterbrote mit Maisbrot und Presskopfwurst und nach der Ausfahrt eine Tellerschüssel Graupensuppe, Löffel musste jeder mitbringen. Dann gab es Sonderzuteilungen, alle paar Wochen mal eine Dose Ölsardinen, oder ein halben Liter Schnaps - mit einen Trichter eingefüllt in selber mitgebrachte Flaschen. Ein andermal gab es 100 Gramm Schwarzen Tee mit einem entsprechenden Messbecher; wer davon was gesammelt hatte, fuhr bis in die Küstengegend zum tauschen - man sagte kompensieren - eine Flasche Fischöl war schon was begehrtes zum Kartoffelbraten. Es war eine schlimme Zeit, wir hatten wenigstens Deputatkohlen und brauchten nicht frieren, aber die meisten Leute hatten nur sehr wenig zum Essen und mussten noch frieren, weil sie keine Kohlen hatten. Das ging so zwei Jahre lang und auf jeder Grube, wir gehörten ja zur britischen Besatzungszone, war ein übergeordneter englischer Offizier, meist ein Major, und die sorgten dafür, dass bei Erreichen einer erhöhten Förderung CARE-Pakete zur Ausgabe kamen. Das war etwa 1947 eine besondere Zuteilung von großem Wert.


Kameradschaftsabend der Grubenwehr (1958)

In den Werkswohnungen und Privatwohnungen hatte man die Kriegsschäden notdürftig beseitigt und die angestammte Belegschaft wieder unterbringen können. Die Ledigenheime der einzelnen Gruben waren voll und nach der Währungsreform forderte 1948/49 der Wiederaufbau der Industrie verstärkt nach Energie, nach Kohle. Nur eine Erhöhung der Belegschaft der Gruben konnte eine Steigerung der Förderung ermöglichen. Die Planungen der Wohnungsabteilungen beim EBV in Zusammenarbeit mit den Gemeinden wurden unterstützt von der Politik der Landesregierung, der jungen Bundesrepublik und der Montan-Union, um neue umfangreiche Wohngebiete für die zusätzlichen Bergbaubeschäftigten zu errichten. Man konnte so auch vielen Vertriebenen und Flüchtlingen eine neue Heimat und Existenz ermöglichen. Aber auch eine große Zahl der Ledigenheimbewohner brauchte wegen Familiengründung preiswerte Wohnungen; ebenso die einheimische nachfolgende Generation der Bergleute wurde durch das Wohnungsangebot dazu veranlasst, im Bergbau Arbeit zu suchen. Ebenso Arbeits- und Wohnungssuchende aus allen Gegenden Deutschlands, später sogar auch Gastarbeiter aus dem Ausland. Diese Schlüsselfunktion des Wohnungsbaues als Anreiz, im Bergbau Arbeit zu suchen, war besonders wichtig bei dem verstärkten Bemühen, die neue Anlage "Emil Mayrisch" möglichst bald in Förderung zu bringen. Die zu erwartende Kokskohlenqualität war auch die Grundlage für den Koks bei der Stahlherstellung der ARBED in Luxemburg.


Berlin, Schöneberger Rathaus (1969)


Umzug und Singen
beim Europafest in Alsdorf (1993)

Da die erst einige hundert Mann starke Belegschaft auf "Emil Mayrisch" um 1950 möglichst Zug um Zug zu einer Stammbelegschaft von 2000, 3000 und mehr Beschäftigten ausgebaut werden sollte, war hier der vorgesehene Wohnungsbau vor allem in Siersdorf, Aldenhoven und Setterich Voraussetzung. So waren 1951, als zwei technische Abteilungen von Kohlscheid mit der neuen Bergwerksdirektion nach "Emil Mayrisch" verlegt wurden, schon die ersten Häuserreihen fertig bzw. im Bau.

Ein prominenter Mann der verlegten technischen Planungsabteilung war der Planungstechniker Josef Derwall. Er war noch einige Jahre auf "Emil Mayrisch", spielte Fußball bei Rhenania Würselen und Alemannia Aachen. Später war er Verbandstrainer im Saarland und wurde Assistent von Bundestrainer Helmut Schön, dann dessen Nachfolger. Von 1978-1984 hatte er große Erfolge mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (1980 Europameister und 1982 Vizeweltmeister). Wir fuhren in dieser Zeit Anfang der 50er Jahre schon mal zusammen ab Mariagrube mit einem kleinen, primitiven Dampfzug nach "Emil Mayrisch" und zurück, er aus Richtung Kohlscheid kommend und ich aus Merkstein. Dieses Bähnchen aus einer Grubenlok mit Güterwaggon hatte Brettersitzbänke und im Winter einen offenen Koksofen als Heizung und brachte Bergleute aus Mariadorf nach "Emil Mayrisch".

Diese 50er Jahre waren auch der Anfang einer stürmischen Entwicklung Aldenhovens von einer ländlich, bäuerlich geprägten Ortschaft - wenn auch mit geschichtlicher Tradition durch Marienwallfahrt und früherer stadtähnlicher Mauerbefestigung - zur Großgemeinde mit neuen Wohngebieten, Schulen, Kirchengemeinden, Geschäften, wachsenden Vereinen, herrlichem Freibad und vielen vorbildlichen Einrichtungen. Aber das wichtigste war, dass tausende Neubürger nach Anfangsschwierigkeiten zufrieden und glücklich mit den alteingessenen Mitbürgern zusammen lebten; die wirtschaftliche Grundlage der Zeche E.M. in Siersdorf machten dies möglich. Auch die politisch Verantwortlichen in allen Parteien rauften sich zusammen und leisteten damals vorbildliche Arbeit. Ein Mann verdient hier Erwähnung, der langjährige Bürgermeister und Bundestagsabgeordnete Franz Vit, der durch seine guten Kontakte und Verbindungen - über alle Parteigrenzen hinweg - viel für Aldenhoven und seine Bevölkerung erreichen konnte.

Die Unternehmensleitung des EBV unterstützte die gute Entwicklung der größer werdenden Belegschaft mit ihren Familien durch Sozialbeauftragte, Nähstuben und viele Sozialeinrichtungen, z.B. EBV-Urlaubsziele in verschiedenen deutschen Urlaubsgebieten und an der niederländischen Küste ermöglichten mancher Familie zum ersten Mal in ihrem Leben einen preiswerten Urlaub.

Wenn auch oft genug Reibungspunkte bei der Arbeit im Bergwerk nicht zu vermeiden waren, Gewerkschaften und Betriebsräte fanden mit der Betriebsleitung fast immer einen Ausgleich. Arbeitsdirektor und Unternehmungsleitung waren in der Montanmitbestimmung eine geglückte Konstruktion.


Eingezogen (1955)


Wohnhaus Schorn (1997)


Wohnhaus Schorn (1999)

Die gute Entwicklung Aldenhovens traf auch zu auf den Nachbarort Siersdorf, meinem Heimatort. 1954/55 waren einige Ortsteile schon neu bebaut bzw. im Bau. Der bevorzugte Haustyp war ein zweigeschossiges Doppelhaus, unterkellert mit Kohlenkeller straßenseitig, rückseitig mit Vorratskeller, Waschküche und Außentreppe zum Hofgarten mit kleinem Stallgebäude, vorgesehen für Gartengeräte und Kleinviehhaltung mit Taubenloch und Hühnereinstieg. Die Grundstücke, meist etwa 450 bis 500 m² groß, haben links oder rechts neben der Hausbebauung einen Bauwich von 4-5 m bis zur Nachbargrenze als Zugang zum Hofgarten, meist 30-40 m tief, als Nutzgarten damals vorgesehen. An Autofahren und Garagenbebauung hatte man noch nicht gedacht, jahrelang hat man auch die Garagengenehmigung verhindert - um das Siedlungsbild nicht zu stören - hier und da hatte man Sammelgaragen eingeplant. Heute ist man froh, dass man in den breiten Bauwichen Platz für Garagen oder Stellplätze hat und die Genehmigung ist kein Problem mehr.

Das Erdgeschoss dieses Haustyps hat Eingangsflur, seitlich Wohnzimmer und Esszimmer, geradeaus Küche mit Tür zum Esszimmer, welches eine Hebetür zum Hof hat. Das Obergeschoss hat Toilette, Badezimmer, Elternschlafzimmer, Kinderzimmer und Bügelzimmer, im Flur Klappluke mit Ausziehtreppe zum Trockenspeicher. Die Beheizung war überwiegend mit Kohleeinzelöfen ausgestattet, desgleichen die Warmwasserbereitung im Badezimmer und in der Waschküche. Die Bauart war meist solide, gut und stabil, so dass bis heute zwar vieles modernisiert worden ist, aber wenig abgerissen wurde.

Als unser Haus im Bau war 1954/55, konnte man sich in eine Liste eintragen lassen als Wohnungsbewerber. Im Herbst 1954 lag ich als junger Bergmann mit Nierensteinen im Knappschaftskrankenhaus Bardenberg und eine nette Krankenschwester aus der Bodenseeregion fand meine Bewunderung. Ein halbes Jahr später hatten wir uns verlobt und nach der Heirat im Sommer 1955 bekamen wir die Schlüssel des Hauses. Wir haben uns bescheiden eingerichtet und konnten sogar unsere Hochzeitsreise preiswert zum EBV-Urlaubsziel Unterwössen in Bayern, beim Ammerwirt, 14 Tage erleben.

Der Alltag nahm seinen Lauf: Wie für alle Bergmannsfrauen war die Bewältigung der täglichen Arbeit nicht einfach. Die Wäsche wurde noch in der Waschküche im Kesselofen gekocht und auf dem Waschbrett gewaschen. Waschmaschinen, Staubsauger, Kühl- und Gefrierschränke und vieles mehr waren noch nicht so gebräuchlich. Fernsehen, Autos, Telefon, alles war erst im Kommen und musste neben dem Hausrat, neben Kleidung und Ernährung mühsam angespart werden. Die Frauen leisteten dabei die Hauptarbeit und mussten einteilen und auskommen. Aber es ging aufwärts und wir waren zufrieden.

Die Arbeit war nicht leicht für jeden im Bergwerk, aber doch war die Gemeinschaft gut und man half sich gegenseitig. Ich war seit meiner Bergschulzeit Mitglied der Grubenrettungsmannschaft und habe nach 15 Jahren Mitgliedschaft und mehreren Ernsteinsätzen auch eine Auszeichnung bekommen, wie viele andere Grubenwehrkameraden ebenso. Wie fast alle Bergleute war auch ich in der Gewerkschaft und in einigen Vereinen, teils bis heute hin. Dabei machte mir das Mitsingen im Knappenchor viel Freude. Wir waren unterwegs in Berlin, Hilversum, Goslar, wirkten mit bei den Jubilarfeiern im Kasino Anna und Emil Mayrisch, bei örtlichen Vereinsfeiern und vielem mehr.

So blühte das Bergwerk, die Schachtaufbauten bekamen ihre markanten, von weitem erkennbaren Ansichten, das Kraftwerk bekam sein Profil und die Gebäude der Zeche wuchsen ihrem Endausbau zu. Untertage ging es auch immer weiter und tiefer, um bessere Flöze aufzuschließen. Was hatte man für große Erwartungen gesetzt in die Lagerstätte von Emil Mayrisch. Ich erinnere mich noch an Planungen einer eigenen Kokerei zwischen Emil Mayrisch und dem Kraftwerk mit Kanalanschluss eines Stichkanals, der etwa von der Gegend bei Hückelhoven nach Siersdorf verlaufen sollte und seinen Anschluss zwischen dem schon öfter in Planung gewesenen Maas-Rhein-Kanal haben sollte. Oder an die Anlage eines Wetter-Außenschachtes bei Niedermerz, der die Hauptabteilung nach Süden grenzläufig bewettern sollte, das heißt, die frische Luft im einziehenden Schacht auf Emil Mayrisch runter bringen, durch die Abbaubetriebe leiten und nicht auf der höher gelegenen Wettersohle zum ausziehenden zweiten (Wetter-)Schacht mit dem Lüfter auf Emil Mayrisch zurückführen, sondern auf der Wettersohle zum Außenschacht wegleiten und rausziehen. Eine Möglichkeit, die man später mit dem Westfeld hatte, als man den Durchschlag (Verbindung) mit Maria-Hauptschacht erreicht hatte.

Es waren wohl hauptsächlich zwei Gründe, die nach weiteren Höhepunkten im Ausbau von Aldenhoven und Siersdorf bis in die 60er und 70 Jahre einen kommenden Wendepunkt und Abschwung vermuten ließen.

1. Öl und Erdgas waren vom Preis und von der Handhabung her gefragter bei Klein- und Großverbrauchern als die Kohle, sie musste immer öfter auf Halde gekippt werden und immer mehr Zechen mussten schließen. Für die Anlage "Emil Mayrisch" selbst war zwar die Kokskohle immer noch gefragt wegen der ARBED-Stahlerzeugung und man konnte mit weiteren Rationalisierungsversuchen, wie Zusammenlegung der Anna-Betriebe mit "Emil Mayrisch" die Schließung noch hinausschieben.


Barbara-Messe und
Fahnenweihe (1999)


Kranzniederlegung am Bergmannsdenkmal
nach Barbara-Messe (2000)


Bergmannshaus "Glück Auf",
Bergbaumuseum (2001)

Der 2. Grund lag auch in der sich immer mehr auswirkenden schlechten und schwierigen Lagerstätte von Emil Mayrisch. Man kam immer tiefer, die Druckverhältnisse des umgebenden Gebirges, d.h. die Felsschichten über und unter den abzubauenden Flözen wurden immer brüchiger und loser und drückten die vielen Strecken (Stollen) immer schneller zusammen. Die Klein-Tektonik, d.h. die Störungsklüfte, Verwerfungen, die ein Kohlenflöz um 1-2 oder mehr Metern in seinem Verlauf nach oben oder unten vor Millionen Jahren unterbrochen hatten, wurden immer zahlreicher. Man saß zu oft mit der ganzen Maschinenausrüstung eines Flözabbaues vor einer Felswand und das Flöz ging einige Meter höher oder tiefer normal weiter. Die Kosten dieser Unterbrechungen waren nicht mehr wirtschaftlich. Weiterhin waren die noch abzubauenden Flöze meist nicht mehr so rein in ihrem Kohleanteil. Die eingelagerten Bergestreifen (Gesteinsstreifen) nahmen zu und betrugen oft teils fast die Hälfte der Flözmächtigkeit, d.h. ein 2 m dickes Flöz hatte z.B. mehrere Lagen Kohleanteil von insgesamt etwa 1,10 m Dicke und mehrere Lagen Bergeanteil von 0,90 m Dicke. Das abgebaute Flözmaterial ging so über die Fördermittel zum Förderschacht nach oben in die Aufbereitungsanlage und wurde dort getrennt. Vereinfacht gesagt ging es durch eine Schlammflüssigkeit, auf der die leichtere Kohle mit einem spez. Gewicht von etwa 1,4 oben schwamm und der schwerere Bergeanteil mit einem spez. Gewicht von etwa 1,9 nach unten sank. Wenn jetzt die Grube eine verwertbare Tagesförderung von z.B. 10.000 t Kohle hatte, waren in Wirklichkeit mit dem sonstigen Gestein aus anderen Streckenarbeiten (Stollen) etwa das Doppelte gefördert worden - also ca. 20.000 t Gesamtmaterial. Dieser entsprechende Bergeanteil (Gestein) ging auf die Bergehalde, fast jede Grube hat ein solches Relikt aus seiner Vergangenheit sichtbar aufgeschüttet. Noch einen Grund unter 2. kann man anführen. Mit zunehmender Abbau-Teufe (Tiefe) von etwa 1.000 Metern und mehr wird das Gebirge (Gestein) immer wärmer, die Luftzufuhr wärmt sich dadurch immer mehr auf, die zulässige Arbeitszeit wird kürzer. Die Gestehungskosten einer Tonne Steinkohle in Deutschland liegen etwa dreimal so hoch wie die Importkohle aus dem Ausland, das Verhältnis wird laufend ungünstiger. So kann man verstehen, dass politisch Ende der 80er Jahre auch die Einstellung der Förderung von Emil Mayrisch auf 1992 festgesetzt wurde.

Eine finanzielle Lücke bei Steuereinnahmen und Zuweisungen musste bei der Gemeinde Aldenhoven als auch beim Einkommen der ehemaligen Beschäftigten von Emil Mayrisch verkraftet werden. Gewerbeansiedlung und Schaffung neuer Arbeitsplätze in Aldenhoven ist bis heute eine vordringliche Aufgabe geblieben.

Aber ich will auch fortfahren in der Erinnerung unserer Lebensjahre. Einige Jahre nach Bezug unserer Wohnung - einer Doppelhaushälfte in Siersdorf - hörten wir, dass wir in der nächsten Zeit im Rahmen der Eigenheimförderung unser Haus auch kaufen könnten. Da haben wir mit Freude zugepackt und wohnen auch heute noch glücklich und zufrieden in Siersdorf, seit 12 Jahren als Rentner.


Abriß Kasino Emil Mayrisch (10.04.1996).
Hintergrund Ruine Kommende Siersdorf,
Deutscher Orden


Sprengung EBV-Turm (1994)

Vom Ende unseres Steinkohlebergwerks kann ich sagen, dass die Sprengung des hohen Betonförderturmes einige Zeit später in starker Erinnerung geblieben ist, ebenso der Abriss unseres schönen Kasinos Emil Mayrisch, wo wir herrliche Stunden bei vielen Vereins-Veranstaltungen verleben durften. Zum Schluss meiner Erzählungen sollte ein Verein noch Erwähnung verdienen, es ist der Bergmännische Traditionsverein "Glückauf" mit seinem Bergmannshaus als Bergbaumuseum in Aldenhoven, dessen Mitglied ich seit der Gründung vor 10 Jahren bin. Vorbildlich erhalten dort eine große Zahl von Mitgliedern, Männer und Frauen, an der Spitze der Vorsitzende August Albrecht, eine Fülle von sehenswerten Relikten und Erinnerungen aus der Bergbauzeit und durch viele Veranstaltungen auch den kameradschaftlichen Zusammenhalt der Bergbaubeschäftigten. August Albrecht und Familie, Ihr habt einen dicken Orden verdient!

 

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