Vom Knappenchor Emil Mayrisch zum Knappenchor St. Barbara

Josef Möres erzählt:

Schon vor der Gründung des Knappenchores Emil Mayrisch gab es sangesfreudige Bergleute auf EM, die von einem Chor träumten, der vielleicht gerade Lieder aus ihrem Arbeitsleben singen würde, der die Tradition des bergmännischen Liedgutes pflegen sollte. Vielleicht ist dem einen oder anderen Sangesfreund auch während langer Schichten oder beim Gang durch abgelegene Strecken und Stollen die Finsternis und die Dunkelheit besonders bewusst geworden. Auch wenn die einsame Stille dabei nur von den Geräuschen der eigenen Schritte, von den Tropfen und dem Knacken des Berges unterbrochen wurde. Da sehnt man sich nach Licht, nach dem Tag und der Familie, nach der Sonne. Das eigene Geleucht, der eigene Lampenschein ist schon etwas schwach geworden und man ruht sich einen Moment aus, und dann sieht man in der Ferne einen Lichtpunkt größer werden und näher kommen und freut sich - es ist ein Arbeitskamerad, ein Kumpel und er sagt: "Glückauf!"

Diese Sehnsucht und Gefühle drücken viele der Bergmannslieder in schöner Weise und Tradition aus und gerade ein altes Knappenlied trifft alles gut, wir singen dort: "Wir tragen alle ein Licht durch die Nacht unter Tag."

Einen Musikfreund gab es Ende der 1950er Jahre auf EM, der diese Ideen mit Leben füllte, es war der damalige Betriebsdirektor Gossens. Er sorgte dafür, dass der schon länger bestehende Werkschor Maria 2 der Hauptwerkstatt und der neue Chorteil auf Emil Mayrisch nach anfänglichen Schwierigkeiten durch getrennte Proben dann zusammen die Proben mit einem Dirigenten und einem Ziel durchführen konnten. Am 10.05. 1960 war es soweit, aus beiden Chorteilen gründete sich der starke Knappenchor Emil Mayrisch mit zeitweise etwa 50 bis 60 Sängern. Der erste und auch erfolgreiche Dirigent, Peter Odenius, leitete den Chor fast 20 Jahre. In dieser Zeit entwickelte sich der Knappenchor zu einem beachtlichen und erfolgreichen Klangkörper.

 


Traditionsfahnne 1960, spätere Stiftung

Im schönen Kasino EM fand der Chor sein Quartier. Dort auf der großen Bühne war Platz genug, an den Seiten hinter den Vorhängen waren die Stühle gestapelt, Schränke für Noten und Dirigentenpult und ein schweres, hohes und schlankes Klavier standen dort. Jede Woche wurde fleißig geprobt von etwa 14 bis 17 Uhr, vor großen Auftritten oft auch zweimal. Die meisten Sänger mussten ihren Arbeitsplatz schon etwas früher verlassen, was auch nicht immer reibungslos ging. Sie mussten aber auch etwa 2 Stunden Freizeit anhängen. Damit alles zügig und pünktlich anfangen konnte, waren 3 oder 4 Kameraden schon immer zeitig genug da, rollten das schwere Klavier in die Mitte, stellten die Stühle auf und verteilten die Noten.

 

Kurioser Arbeitsunfall mit Klavier

Da passierte in den 1960er Jahren, ein Arbeitsunfall, der Anlass zum Schmunzeln bot, weil alles gut ausging aber doch erst mal die Sache schlimmer aussah.

Und das ging so:
"Komm Helmut, zuerst das Klavier schieben", sagte Günther und schon rollte das schwere, hohe und schmale Stück schubweise von der hinteren Bühnenseite zur vorderen Mitte der Bühne zum Dirigentenplatz, einer vorne ziehend in die gewollte Richtung und der andere schob hinten. Die Bühnenholzdielung hatte schmale Fugen und die kleinen Klavierrollräder stockten schon mal an diesen Stellen. Hundertmal probiert und nichts passiert. Und da blieb ein Rädchen hängen, das hohe Klavier bekam Übergewicht, war nicht mehr zu halten und kippte um. Mehrere Zentner knallten dem Günther auf seinen Fuß, den er nur mit Mühe rausziehen konnte. Der Helmut half ihm auf einen Stuhl, denn dem armen Kerl war schlecht vor Schmerzen. Schuh und Strumpf wurden ausgezogen und im Nu war der Fuß ein dicker Klumpfuß mit Schürfstellen. Sofort ging es mit dem Auto zum Heilgehilfen in die Sanitätsstube Emil Mayrisch. "Mensch Günther, wie ist denn das passiert?", fragte der Heilgehilfe. Die Erklärungen, dass ein Klavier auf den Fuß gefallen sei, erregte nur Ungläubigkeit und Lachen. Nach Kühlverband wurde Günther vom Unfallwagen zum Knappschaftskrankenhaus Bardenberg gebracht. Dort in der Unfall-Ambulanz die gleichen ungläubigen Gesichter, als auf Fragen gesagt wurde, dass ein Klavier auf den Fuß gefallen sei. Nach Röntgen stellte sich heraus, dass außer schweren Quetschungen nichts gebrochen war. Die Erleichterung war groß und nach 14 Tagen humpeln war alles vorbei und es blieb hinterher nur das Lachen über den seltenen Arbeitsunfall - Klavier auf den Fuß gefallen.

Der Knappenchor EM erfüllte die großen Erwartungen und war dabei, wenn die jährlichen Jubilarfeiern in den Kasinos Anna oder EM stattfanden, meist unter Mitwirkung der Werkskapelle des EBV, die ja sehr bekannt war wegen ihrer jahrelangen musikalischen Mitwirkung beim Aachener Reitturnier.


Kasino Anna, Jubilarfeier 27. Januar 1968

Man kann die weiteren vielen Auftritte und Mitgestaltungen bei örtlichen Vereinsfeiern, Barbaramessen und auch bei ehrenvollen Einladungen und größeren Reisen gar nicht alle aufzählen. Beispielhaft kann ich erwähnen die Fahrten nach Goslar, Berlin. Rundfunkaufnahmen beim WDR Köln und nach Hilversum, nach Bergbaugebieten in Süd-Wales in England und Eisenerz in der Steiermark, Österreich. Oft mit gegenseitiger Einladung in die jeweiligen Gastfamilien, so dass gute menschliche Kontakte geknüpft wurden und wir schon hierbei das "Vereinigte Europa" an der Basis erleben und mitgestalten durften.

 


1000 Jahre Rammelsberger Erzbergbau im Harz,
1968

Seit Ende der 1970er Jahre übernahm der neue Chorleiter Helmut Lausberg den Knappenchor EM und führte die fast zwanzig Jahre dauernde Ära Odenius ebenso erfolgreich weiter. Seine über zwanzigjährige bewährte Dirigententätigkeit ging bis zum Abgesang bei der letzten Schicht auf Emil Mayrisch am Freitag, dem 18.12.1992. Damit verbunden war auch das Ende des Knappenchores EM.

 


Letzte Barbarafeier Kasino Emil Mayrisch
4. Dezember 1992


Der Knappenchor Emil Mayrisch sang
bei der letzten Schicht, Freitag, 18 Dezember 1992

Als 2. Vorsitzender der letzten Jahre war ich, wie der ganze EM-Chor, sehr betroffen von seiner Auflösung. Zuerst waren es nur wenige Knappenchorsänger, und dann immer mehr, die wie ich einen Neuanfang wagen wollten. Es war ein günstiger Umstand, dass auch der Vorstand mit Josef Kohnen des neuen Bergbaumuseums Wurmrevier in Alsdorf die Neugründung des Knappenchores und damit die Fortführung dieser Tradition unterstützte. Nach guten Vorgesprächen konnten wir schon am 28.01.1993 diese Neugründung als "Knappenchor Sankt Barbara, Bergbaumuseum Wurmrevier", beschließen.

 

Standen früher die Ereignisse des EBV im Vordergrund des Mitwirkens vom Knappenchor EM z.B. bei Jubilarfeiern und ähnlichen Veranstaltungen, so liegt heute der Schwerpunkt des Bemühens darin, als Knappenchor St. Barbara in Partnerschaft mit dem Bergbaumuseum Wurmrevier Alsdorf, den Bergmannsstand und die bergmännische Tradition bei vielen Gelegenheiten musikalisch in schmucken Bergkitteln und bunten Federbuschhüten zu repräsentieren.

 


Fahne Neugründung Knappenchor Sankt Barbara

Es war auch wieder ein Glücksfall, gute Dirigenten in der Chorleitung zu haben. Nach der erfolgreichen zweijährigen Aufbauarbeit mit Norbert Schmitz hat der Knappenchor St. Barbara seit 1995 mit dem Organisten und Kantor Volkmar Michl einen Dirigenten, der den Chor weiter brachte und bei den jährlichen Barbaramessen und -feiern, vorweihnachtlichen Adventsgottesdiensten und vielen anderen Verpflichtungen zu einem gefragten Klangkörper gemacht hat. Ich bin glücklich von Anfang an als 2. Vorsitzender und seit 1995 als 1. Vorsitzender mit allen Knappensängern eine gelungene Verbundenheit besonders mit den Kirchengemeinden, mit den Senioren- und anderen Ortsvereinen aufgebaut zu haben, so dass die jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen schon mit Vorfreude von beiden Seiten erwartet werden, von den Sängern ebenso wie von den Zuhörern.

Aber auch andere Anlässe, wie kommunale und gewerkschaftliche Ereignisse, Europafeste, Knappschaftskrankenhausveranstaltungen, Goldhochzeiten, Geburtstage und Beerdigungen bilden den Rahmen der Verpflichtungen, die ich damit nur angerissen habe. Selbstverständlich singt der Chor dabei auch für soziale Einrichtungen und gute Zwecke auch ohne Entschädigungen, mit noch mehr Freude bei sehr dankbaren Zuhörern.


Denkmal Fördergerüst Anna I, Kalenderblatt 2001

 

Die erreichte Verbundenheit zwischen der Bevölkerung der Reviergemeinden und dem Knappenchor St. Barbara, Bergbaumuseum Wurmrevier als Traditionsträger des untergegangenen Steinkohlebergbaus im Aachener Revier, besteht nicht nur bei den älteren Generationen, die zu einem großen Teil von der Kohle lebten, sondern spürbar zunehmend auch bei der jüngeren Generation, die andere berufliche Perspektiven nutzen musste und nicht mehr im Bergbau arbeitet, sich aber doch für diese Vergangenheit interessiert.


Ministerpräsident Clement auf dem Anna-Gelände, Juni 2001

In den nächsten Monaten, Ende Januar 2003, probt und singt der neue Knappenchor St. Barbara schon 10 Jahre und ich danke meinen Knappensängern, aus Jülich bis Herzogenrath und Übach-Palenberg bis Würselen, für ihren Idealismus und ihren Frauen für das Verständnis, dass viel Freizeit für unsere Tradition geopfert wird. Dabei zählen wir auch zunehmend auf die jüngere Generation und ihr Interesse, aktiv die Tradition mitzutragen.

 

 

 


Ökumenischer Gottesdienst, Fördermaschinenhaus Adolf,
Barbara-Einsegnung 5.10.2002

Wie ich Bergmann wurde:


Natürlich muss ich auch noch was erzählen, wie ich und wann ich nach Emil Mayrisch und nach Aldenhoven kam. In der Eifel in Euskirchen wurde ich 1936 geboren, wir waren zu sieben Geschwister und der Vater arbeitete als Anlagen-Elektriker im etwa 20 km entfernten Wesseling, südlich Köln und nördlich Bonn, in der Raffinerie. Als ich 8 Jahre alt war, hatte die Westfront auch die Eifel ereicht und wir wurden im Herbst 1944 in die Gegend bei Bremen evakuiert. Als uns nach Kriegsende die Amerikaner wieder zurück brachten, war unser Haus durch einen Volltreffer stark beschädigt. Nach der Volksschulentlassung 1951 wollte ich wie mein Vater Elektriker werden, aber es war keine Lehrstelle frei. So begann ich erst mal eine Schreinerausbildung. Da riet mir mein Onkel 1953, der schon 2 Jahre auf EM arbeitete und in Aldenhoven in einem der neuen Häuser der Bergmannssiedlungen eine Wohnung bekommen hatte, auch auf der Grube anzufangen. So fing ich mit 16,5 Jahren am 20.05.1953 als Berglehrling an.


Josef Möres (links), 1955 als 18jähriger Bergjungmann,
noch mit schwerer Pottlampe, nach der Ausfahrt vor
dem Abteufgerüst Scht. II EM, schon historisch,
denn ein Jahr später stand dort der hohe
Betonförderturm,
der "Riese im Jülicher Land" mit dem blauen EBV-Schriftzug,
etwa 40 Jahre eine weithin sichtbare Orientierung

Es folgten nach den üblichen Ausbildungszeiten die Knappen- und Hauerprüfung. Während dieser Zeit wohnte ich zuerst bei meinem Onkel in Aldenhoven, etwas beengt in seiner nicht großen Wohnung, dann noch von 1956 bis 1958 im Ledigenheim Siersdorf am Kasino.

In dieser Zeit fuhr ich schon mal am Wochenende nach Hause nach Euskirchen - zuerst mit dem Fahrrad, dann mit dem Moped und später schon komfortabler mit einer Isetta - und lernte bei meinem älteren Bruder ein liebes und nettes Nachbarsmädchen kennen. Nach der Verlobung haben wir 1958 geheiratet und bekamen 1959 in Mariadorf eine neue Werkswohnung. In Aldenhoven konnten wir dann 1967 ein schönes Eigenheim mit großem Garten beziehen, wo wir, meine Frau und ich, mit viel Eigenleistung im Wert von etwa 20.000 DM die Baukosten erträglicher machen konnten. Glücklich haben wir 4 Kinder bekommen und freuen uns heute über 7 Enkel.

Aber zwischendurch waren harte Jahre der Arbeit auf der Zeche EM und auch im Haus und Garten zu bewältigen. Dabei war den Frauen auch viel Mühe und Sorge beschieden. In den ersten Jahren brachten die Männer noch jede Woche den Püngel Grubenklamotten nach Hause, dreckig voll Kohlenstaub und oft eingerissen. Übers Wochenende musste die Frau diese Sachen wieder parat machen - anfangs noch ohne Waschmaschine - um die saubere und geflickte Arbeitsjacke, Hose, Hemd und Socken in ein blaues Handtuch zu packen und oben zu verknoten. Dazu kamen die eingefetteten Arbeitsschuhe. Mit diesem Püngel gingen die Ängste und Sorgen der Bergmannsfrauen mit zur Grube. Sie bangten mehr um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Männer, als sie es nach außen zeigten. Zu oft habe auch ich Unfälle erleben müssen, die den Bergmannsberuf als gefährlich belastet haben, obwohl die Sicherheit und Unfallbekämpfung der letzten Jahrzehnte große Erfolge hatte. Was aber immer blieb, war die drückende Enge, die Dunkelheit, die oft stickige und staubige Luft und vor allem die Unwägbarkeit brüchiger Bergestiefe.


Josef Möres mit Großherzog Jean von Luxemburg 1977

Und dennoch habe ich meinen Bergmannsberuf gerne ausgeübt und konnte meinen Arbeitskameraden helfen, ob als Ortsältester und Aufsichtshauer, oder sei es im Betriebsrat und in der Gewerkschaft, oder in der Grubenrettungsmannschaft. Auch als sachkundiger Bürger im Gemeinderat, als 1. stellvertretender Knappschaftsältester, bei der Arbeiterwohlfahrt und als SPD-Mitglied.

Eine seltene Auszeichnung für 20 Jahre Mitgliedschaft mit mehreren Ernsteinsätzen als Truppführer und Gerätewart in der Grubenwehr EM darf ich erwähnen. Es ist das vom Bundespräsidenten 1989 verliehene Grubenwehr-Ehrenzeichen in Gold.

 

Im Vorfeld der Betriebsstillegung Ende 1992 kam für mich im April 1990 der Vorruhestand und damit die Rentnerzeit. Seit 1994 bin ich als Siedlungsobmann in Aldenhoven für den ABS-Wohnungsbereich tätig. Hier helfe ich in den Angelegenheiten Reparaturen, Siedlungsbild, Fragen der Wohnungssuche, Einzug, Kündigungen und bei sonstigen Sorgen und Nöten der Wohnungsmieter. Bei Beginn der Aufgabe war dieser ABS-Siedlungsteil mit ca. 200 Wohnungen in teilweise schlechtem und abgewohntem Zustand mit ca. 10% Leerstand.


Wohnhaus Möres 2002

Die Schließung Ende 1992 von EM mit Abwanderung von Bergleuten, die irgendwo anders Arbeit suchen mussten, waren hier spürbar geworden. Geholfen und unterstützt bei dem Willen, diesen schlechten Zustand zu verbessern, wurde ich von dem Arbeitsdirektor Karl-Heinz Mross und dem Betriebsratskollegen Hans Gerkens mit seinen Kontakten zur Wohnungsgesellschaft Norbert Metz, so dass heute der Zustand wieder ansehnlich und gut ist, was die große Nachfrage und der O-Leerstand beweist. Viel Arbeit und Idealismus habe ich dort mit anderen hineingesteckt und die Gemeinde und die heute zuständige EBV-Immobiliengesellschaft haben bei Ortsbegehung den gepflegten und ordentlichen Eindruck schriftlich gelobt.

aufgezeichnet von Günther Schorn im November 2002

>> zurück zum Überblick

Druckversion Um das Rezept zu drucken hier drücken!

<< zurück ----- Startseite ----- Überblick Spurensuche ----- Kontakt ----- nach oben

Senioren ins Netz - Stadt JülichSenioren ins Netz ist ein Projekt der Stadt Jülich.