Der Weg in eine ungewisse Zukunft

Renate Trunzler

Im August 1964 machte mein Mann sich auf den Weg von Völklingen/Saarland nach Alsdorf, um dort Arbeit und Wohnung zu finden. Damals wurden im Saarland die ersten Gruben geschlossen. Da Alsdorf keine Wohnung frei hatte, wurde er nach Siersdorf geschickt. Dort bekam er Arbeit auf der Grube Emil Mayrisch und eine Wohnung in Aldenhoven. Ich konnte nicht mit dem Kind alleine im Saarland bleiben, und so sind wir dann im September 1964 umgezogen.

Ich hatte von Aldenhoven weder gehört noch gesehen. Der Anfang war sehr schwer, keine Freunde und keine Bekannten, und die Verwandten waren weit weg im Saarland. Wir hatten Gelegenheit, ein Eigenheim von der Grube zu erwerben.

Um die Haushaltskasse aufzubessern, fing ich im November 1964 bei der Firma Philips/Glühlampenwerk im Schichtbetrieb - Früh- und Spätschicht - an zu arbeiten. Mein Mann hatte auch Wechselschicht, und so konnten wir es einrichten, dass immer jemand beim Kind zu Hause war. 1967 kam ein zweites Kind dazu.

Die Arbeit lief weiter, man musste viel sparen, um das Eigenheim zu bezahlen und in Schuss zu halten. In Urlaub fahren war da nicht drin, und wir kauften einen Wohnwagen in der Eifel. Dort fuhren wir an den Wochenenden immer hin zum Entspannen.

Die Arbeit bei Philips machte mir sehr viel Spaß. Das Betriebsklima war immer sehr gut. Wir hatten auch viele ausländische Arbeitskollegen, mit denen wir ohne Probleme zusammenarbeiten konnten. Wir waren sämtlich junge Leute, und alle hatten dieselben Probleme mit Kind und Haushalt. Aber die Betriebsleiter hatten immer viel Verständnis für uns. Auch für die Kinder wurden im Stadttheater in Aachen in der Vorweihnachtszeit eine Märchenaufführung, zusätzlich eine Nikolausfeier mit Geschenken und Spielzeug organisiert. Das war jeweils ein Erlebnis für die Kinder.

Auch wenn man heute sich noch mit ehemaligen Kollegen trifft, ist immer Zeit für eine Unterhaltung, und der Kontakt ist uneingeschränkt gut. Im Jahre 1982 habe ich wegen Krankheit aufgehört, was mir sehr leid tat. Danach habe ich nur noch stundenweise gearbeitet.

Zwischen Aldenhoven und Pattern gab es eine Schrebergartenanlage, in der wir 1965 einen Garten bekamen. Dort haben wir viel Gemüse und Kartoffeln angebaut. Die Kinder mussten immer viel mitarbeiten und im Garten Unkraut jäten, was sie nur unter Protest getan haben. Die Gartenarbeit war immer etwas Entspannung, und die Anlage brachte uns Erholung. Im Vereinsleben waren wir auch immer aktiv. Gartenfeste, Karnevalsumzüge, etc. wurden stets mitorganisiert. 1989 musste die Schrebergartenanlage dem Braunkohlebagger weichen. Wir wurden umgesiedelt von der Rheinbraun nach Neu-Pattern. Hier wurde die Anlage wieder neu angelegt.

Mein Mann ist im April 1992 Rentner geworden, und im Dez. 1992 wurde Emil Mayrisch geschlossen. Jetzt konnte er sich richtig seinem Schrebergarten widmen und blieb den ganzen Tag dort. Unsere beiden Kinder haben geheiratet, und die Familie wurde größer. Dann kamen 5 Enkelkinder dazu. So wuchs eine richtig große Familie heran, die uns viel Freude macht.

Wenn wir uns alles überlegen, war der Weg in eine ungewisse Zukunft ein Weg in eine neue Heimat, in der wir uns sehr wohl fühlen, aber man denkt trotzdem auch immer an das zurück, was vor 1964 war. Erinnerung , etwas Heimweh und vor allem nicht zu vergessen, wo jeder seine Wurzel hatte.

Renate Trunzler, März 2003

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