»Die
Buche kommt mit!« –
Gespräch über den Gartenbauverein Aldenhoven
Da soll eine Buche mit. Ein Steckling aus einer Baumschule? Vonwegen: ein mächtiger Baum, eine stattliche Rotbuche! Von einem Umzug besonderer Art und vom Warum und Wohin berichten Mitglieder des Gartenbauvereins
Anwesende: August Albrecht, Rudolf Apel, Heinz Bielefeldt, Charles Cervigne, Maria Gregorzcyk, Thomas Langens, Josef Nawrot, Günther Schorn, Heinz Teichmeier, Renate Trunzler, Hans Wenzel
Cervigne
Herr Apel, wie ist der Gartenbauverein entstanden?
Apel
1953 bin ich in den Gartenbauverein eingetreten, zu der Zeit war ich schon
nicht mehr beim EBV aktiv. Durch eine Krankheit war ich ausgeschieden. Daher
habe ich mit dem Garten angefangen. Bis 1956 war ich praktisch Invalide. Anschließend
bin ich dann wieder in einen Arbeitsprozeß reingekommen. Zwischendurch
hab ich meinen Garten gemacht. Damals wurden gerade die ersten Häuser da
oben gebaut; die Leute haben alles in Eigenarbeit gemacht.
Cervigne
Gab es den Gartenbauverein zu der Zeit schon, als sie angefangen haben?
Apel
Ja, Eduard Tuckermann hat das Gelände an den Eschweiler Bergwerks
Verein (EBV) verpachtet. Die Parzelle an der B56 zwischen Aldenhoven und Pattern
war etwas über 3 1/4 Hektar groß und zu etwa der Hälfte mit
Apfel-Buschbäumen bepflanzt.
Wahrscheinlich hat sich die Obstparzelle für Tuckermann nicht mehr rentiert.
Nachdem der EBV das Gelände übernommen hatte, wurden die verkrüppelten
Obstbäume gefällt und das Land dann eingeteilt. Jeder bekam einen
Garten zur Verfügung gestellt.
Cervigne
Das ist ja interessant: Der EBV hat diese Aufgabe also übernommen?
Apel
Ja, der EBV war Pächter von dem Grundstück. Das war das Eigentum
vom Tuckermann.
Gregorzcyk
Hat die Pacht für die Mitglieder des Vereins etwas gekostet?
Apel
Ja, wir haben für unseren Kleingartenverein Pacht bezahlt.
Gregorzcyk
Wie viele Mitglieder waren es am Anfang?
Apel
Ungefähr 60 bis 70.
Cervigne
Wann war denn die Gründung des Gartenbauvereins?
Apel
Anfang 1953 wurden alle EBV-Beschäftigten, die in Aldenhoven wohnten,
zur Gründungsversammlung eines Gartenbauvereins eingeladen. Im Saal der
Gaststätte "Zum goldenen Schlüssel" fand die Gründungsversammlung
des Vereins statt. Durch einen kommissarischen Vorstand und unter Oberaufsicht
des EBV wurden die Parzellen an die Bewerber vergeben.
Cervigne
Was hatte Jakob Triem mit dem Gartenbau zu tun?
Apel
Er war damals Arbeitsdirektor. Von ihm – selbst aus einer alten Bergarbeiter-Familie
stammend – ging die Initiative aus, den Garten zu gründen und ihn
den Bergleuten zur Verfügung zu stellen.
Nawrot
Jakob Triem hat sich von Anfang an darum gekümmert, daß die
Bergleute gute Wohnungen hatten. Anfang der 50er Jahre ging die Entwicklung
der neu geteuften Grube Emil Mayrisch so stürmisch voran, daß für
die in immer größerer Zahl vom EBV angeworbenen Arbeitskräfte
Wohnraum geschaffen werden mußte. Diese Mietwohnungen hatten aus Platzmangel
nur kleine Gärten. Nach Ansicht von Jakob Triem gehörte zu einer Bergmannswohnung
auch ein Kleintierstall und ein Garten.
Apel
Der Garten war als Freizeit gedacht. Damit die Leute mal was anderes machen
konnten als nur Kohle fördern.
Cervigne
Wer hat die Sache vor Ort in die Hand genommen?
Apel
Hierzu waren der Gartenberater Keller und die damalige Werksfürsorgerin
Frau von Poser als Berater durch den EBV eingesetzt worden. Die haben erklärt,
wie man die Gärten bearbeitet. Die Leute hatten damals teilweise ja keine
Ahnung von Gärten und da hat Herr Keller den Bergleuten mit Rat und Tat
zur Seite gestanden.
Cervigne
Was für ein Interesse hatte denn der EBV, für seine Arbeiter
solch eine Gartenbauanlage zu installieren?
Wenzel
Das lag an der sozialen Situation von damals. Der Gartenbau sollte nicht
nur die Freizeitgestaltung auffrischen, in den Gärten wurde ja auch etwas
erzeugt.
Bei den Gärten war zum Beispiel auch ein Hühnerstall dabei. Für
viele ging es darum, ihre Ernährungssituation zu verbessern. Denn es waren
ja die 50er Jahre, kurz nach dem Krieg. Viele kamen aus schlechten wirtschaftlichen
Verhältnissen. Die Koreakrise begann, es wurde gehamstert …
Apel
Früher gab es ja keinen Supermarkt, wo man alles kaufen konnte, Obst
und anderes. Da gab es nur die kleinen Tante-Emma-Läden, und die hatten
auch nicht alles. Da waren die Leute froh, wenn sie nebenbei etwas anpflanzen
konnten.
Wenzel
Beim EBV gab es auch einen Vorschuß im Herbst. Die Arbeiter konnten
dann Kartoffeln kaufen und später in Raten abbezahlen. Das hieß dann
„Kartoffelvorschuß“. Diese Zeit war nämlich noch ganz
anderes geprägt als heute. Die Betriebe haben sich um die Mitarbeiter gekümmert,
für die Ausrüstung, Schuhe, Bekleidung und ähnliches gesorgt.
Cervigne
Das haben wir ja schon oft gesehen: Der EBV wurde also aus sozialen Gründen
aktiv. Es ging nicht nur um Freizeitgestaltung. Es hat auch immer einen politisch-sozialen
Sinn gehabt, und es beruhte auf der Eigeninitiative der Leute: Der EBV hat Starthilfe
gegeben, umsetzen mußten es die Bergleute dann aber selbst.
Wie hat sich denn die Gartenanlage nach 1953 entwickelt?
Apel
Zuerst sah das Gelände wüst aus und mußte urbar gemacht
werden. Später gab es dann die ersten Häuschen und das Vereinshaus.
Man mußte vor dem Bauen einer Laube eine Baugenehmigung von der Gemeinde
Aldenhoven haben. Die haben zum Beispiel drei Typen von Häuschen vorgestellt
und davon konnten wir uns dann eins aussuchen. Alles war in Steinbauweise.
Dann konnte jeder bauen, der wollte. Und jeder, der das Geld dazu hatte. Viele
Steine wurden aber auch geklaut. Ja, das gehört dazu, das muß hier
auch einmal gesagt werden! Es wurden Steine in Obermerz geklaut, dort wo die
immer abgebaggert wurden. Und an der Müllkippe, da waren auch Steine zu
finden.
Schorn
Das war kein Klauen, das war Hilfe zur Entsorgung.
Apel
Und es ist dafür ja auch niemals jemand bestraft worden.
Wenzel
Durch das Bauen sind alle alten Hütten, welche da so windschief in
der Gegend herumstanden, verschwunden.
Teichmeier
Unser erstes Vereinshaus war ein alter Bauwagen. Das war unser Vereinshaus,
Lagerraum und Katzenunterkunft.
Wenzel
Und immer war ein Bier dabei. Denn des Gärtners liebste Arbeit ist
das Gießen …
Apel
Ja, das war da so, das ist ja heute nicht anders. Graben Sie mal in der
Hitze einen Garten um und haben nichts zu trinken.
Cervigne
Waren die Gärten ein Treffpunkt nur für Männer oder auch
für Frauen? Denn in den ersten Jahren gab es ja für sie noch keine
Arbeit, etwa bei Philips oder anderen. Haben die Frauen dann mit den Kindern
mitgehackt oder war das eine frauenfreie Zone?
Apel
Nein, wenn schönes Wetter war, kamen die mit und wir haben dann draußen
gemeinsam gesessen.
Teichmeier
Die Familien waren oft draußen. Sie haben mir oft bei der Ernte geholfen,
die Kinder haben Johannisbeeren und Erdbeeren gepflückt. Der Mittelpunkt
war die Baracke, das Vereinsheim. Eine gute Kameradschaft war da, wenn einer
etwas machen wollte, haben die anderen mitgeholfen.
Cervigne
Gab es denn von Anfang an beim Gartenbaugelände einen Vereinsvorstand?
Apel
Ich weiß leider nicht mehr, wer der erste Vorsitzende war.
Langens
Der erste Vorsitzende war Albert Retzlaff, von 1954 bis 1956.
Cervigne
Der Garten hatte sich richtig entwickelt. Die Leute haben mir erzählt,
er war eine richtige Oase. Und ein wichtiger Ausgleich, als die Leute noch nicht
in den Urlaub fahren konnten. Damals sind ja auch die ganzen anderen Freizeiteinrichtungen
entstanden, so wie das Schwimmbad.
Schorn
Damals haben die Leute auch was geerntet und hatten dann auch was auf dem
Tisch. Damals war ja alles teuer, und da war man froh, das man was hatte.
Apel
Damals war ein Garten ja auch hauptsächlich Nutzgarten, heute haben
ihn viele ja nur noch für Rasen. Aber nicht mehr für Gemüse.
Bielefeldt
Wie war das Gefühl, erst untertage zu arbeiten und nachher unter der
Sonne im Garten
Schorn
Es war ein guter Ausgleich: Erst war man im Dunkel und dann an der Sonne,
an der frischen Luft.
Cervigne
Was später sehr wichtig war: der Umzug der Gartenanlage. Der Umzug
war nötig, weil Alt-Pattern wegen der Braunkohle abgebaggert wurde. Und
da war die Frage: Wo geht es hin? Wie sah das aus: Durften die Vereinsmitglieder
mitreden?
Apel
Der EBV hat dann das Gelände verkauft an die Gemeinde und wir wurden
entschädigt. Der Umzug ging nachher schnell. Als erstes sollte nur bis
kurz vor den Garten gegraben werden. Nachher wurde aber doch alles abgebaggert.
Teichmeier
Wir hatten eine große Rotbuche. Die wurde im alten Garten mit Stumpf
und Stiel ausgebuddelt, über die Straßen zum neuen Garten transportiert
und da wieder eingepflanzt. Das war ganz ganz schön harte Arbeit. Die Firma
Rheinbraun hat uns mit schwerem Gerät dabei geholfen. Es hat dann drei
Jahre gedauert, bis sie sich erholt hatte. Nun wächst sie wieder. Das war
im Jahr 1989, vor 12 Jahren.
Cervigne
Waren sie traurig, als sie umziehen mußten?
Apel
Am Anfang schon, aber im Nachhinein nicht. Man ist jetzt froh, am neuen
Standort zu sein.
Cervigne
Wie kam Euer Gefühl, nicht genug entschädigt worden zu sein?
Teichmeier
Einige haben zwei oder sogar drei Gärten zusammengenommen und dann
ihr Häuschen vergrößert und hatten dann plötzlich einen
Bungalow.
Schorn
Das war baurechtlich problematisch: Die Häuser waren nicht zum Wohnen
gedacht. Sondern nur für den Aufenthalt für ein paar Stunden. Das
ist auch heute noch so.
Apel
Bei zweien oder dreien ist es aber trotzdem so gelaufen.
Vor dem Abriß hat man große Schätzungen gemacht, was an Bewuchs
und Bauten auf dem Gelände stand, und dann hat dann jeder seinen Teil bekommen.
Die mit dem Bungalow sind dann voll entschädigt worden. Sie hätten
eigentlich nur noch bekommen sollen, was genehmigt war. Da ist einiges schief
gelaufen. Dadurch kamen Spannungen im Verein auf. Einer hat sogar einen Prozeß
geführt und den dann auch noch gewonnen. Danach wurde von uns Kleingärtnern
eine Kommission gebildet, die aufgelistet hat, wie viele Sträucher auf
jedem Grundstück standen et cetera. Alles wurde dann zu Einkaufspreis entschädigt.
Das ungerechte war, daß die Bungalowbesitzer voll entschädigt wurden.
Cervigne
Nach dem Umzug kam dann der Bau des neuen Vereinshauses. Wie ist das gelaufen?
Apel
Die Firma Rheinbraun hat uns laut Vertrag ein Haus hinstellen müssen,
das war klar. Jedenfalls ist da ein Holzhaus hingekommen. Wir hatten 93.000
Mark Entschädigung bekommen für das alte Haus und das wurde dann wieder
in das neue investiert.
Cervigne
Ist die Größe der Gartenanlage gleich geblieben oder ist sie
jetzt größer?
Apel
Es ist ungefähr gleich geblieben. Wir haben jetzt 75 Parzellen. Wir
sind damit jetzt zufrieden.
Trunzler
Es wurden viele Feste gefeiert, zum Beispiel Karneval.
Apel
Karneval wurde immer ein Wagen gebaut, ich war zwar nicht beteiligt, aber
es waren genug Interessenten beteiligt.
Teichmeier
Es wurde zum Beispiel Gemüse geputzt und drangehangen. Damit haben
wir einmal den ersten Platz gemacht. Der Bauer hat uns den Träger und einen
Anhänger gegeben. Den stellte er acht Tage vorher dahin und dann wurde
fleißig gearbeitet und geschmückt.
Apel
Gartenfeste gab es jedes Jahr da oben. Fast jedes Jahr.
Schorn
Wie ist es, wenn einer wegzieht oder seine Parzelle nicht mehr will? Ist
dann große Nachfrage oder stehen auch Parzellen leer?
Apel
Es ist schwierig einen Nachmieter zu bekommen. Vor zehn oder zwanzig Jahren
wäre das kein Problem geworden, aber heute will sogar in den Städten
keiner mehr einen Garten haben. Die Jugend hat kein Interesse mehr daran. Jeder,
der ein Auto hat, fährt in die Eifel, und damit sind die zufrieden.
Teichmeier
Mittlerweile stehen vier Parzellen leer. Die anderen sind wieder unter
den Hut gekommen.
Apel
Ältere machen was draus, aber Jüngere stellen sich meist etwas
anderes vor, und nach einem Jahr ist Feierabend. So ein Garten ist ja auch Arbeit.
Cervigne
Gibt es noch ein nettes Anekdötchen zu erzählen? Oder einen Skandal?
Apel
Also umgebracht haben wir keinen …
Teichmeier
Es gab einen Katzenvater, der immer die Katzen auf dem Gelände versorgt
hat. Als der gute Mann einmal krank wurde, mußten die Katzen hungern und
so nach vier Tagen ist er dann rausgekommen, so krank wie er da war, und alle
Katzen auf ihn drauf. Er mußte die Katzen direkt füttern, sonst wäre
noch was passiert. Wie hieß der nochmal?
Apel
Das war der Julius, Julius Sabellek.
aufgezeichnet von Thomas Langens am 05.11.2002
Die 1. Vorsitzenden des Gartenbauvereins Aldenhoven:
- 1954 – 1956 Albert Retzlaff
- 1956 – 1958 Heinz Kreisel
- 1958 – 1971 Albert Vieler
- 1971 – 1972 Walter Ecke
- 1972 – 1975 Josef Schlögl
- 1975 – 1981 Edgar Vogel
- 1981 – 1984 Wolfgang Hilmer
- 1984 – Edgar Vogel
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